Liebevolles Portrait einer liebenswerten Frau, die ich nach 47 Ehejahren unendlich vermisse. Meine Frau hat mich überallhin treu begleitet und nie gemosert, wenn´s abends spät wurde. Ich verdanke ihr viel. Ohne sie wäre ich nicht das geworden, was ich geworden bin.
Abschlusszeugnis meiner Frau als Staatlich geprüfte Elektro-Assistentin
an der Ingenieurschule Mannheim
Nach unserer kirchlichen Trauung in der Kapelle des Heidelberger Schlosses (1968)
(Foto: Dr. Martin Volkmer)
Meine Frau gibt Alexander in Nürnberg sein Fläschchen (1973)
(Foto: Achim Reichert)
Ich liebe meine Frau über alles, schätze sie sehr und bin ihr aus vielerlei Gründen dankbar. Ihr und dem Schicksal, das uns zusammengeführt hat. Obwohl sie zur gleichen Zeit lukrativere Alternativen gehabt hätte, hat sie sich für mich entschieden. Für mich, der ich noch nichts war und noch nichts hatte. Schon beim vierten Treffen, einen Monat nach unserem Kennenlernen, haben wir uns verlobt und ein halbes Jahr später geheiratet, noch bevor ich mit meinem Studium fertig war. Und ohne dass wir es „mussten“, wie unser Umfeld mutmaßte.
Nachdem ich dann promoviert war, hat sie mich ohne Murren zu allen Stationen meines beruflichen Werdegangs begleitet und nicht geschimpft, wenn es, wie so oft, abends spät wurde. Begünstigt durch eigene Berufsausbildung und –Erfahrung war sie für mich stets ein aufmerksamer und sachkundiger Gesprächspartner, wenn ich ihr abends vom Beruf erzählte. Als Hausfrau war ihr keine Mühe zu viel. Auf hohem Niveau hat sie für uns gekocht und gebacken. Ich habe viel von ihr gelernt für später, als ich krankheitsbedingt immer mehr Aufgaben von ihr übernehmen musste.
47 Jahre sind wir miteinander durch dick und dünn gegangen, wobei es an Tiefpunkten nicht gemangelt hat. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie schon früh ihre eigene Berufstätigkeit aufgeben. Sieben Jahre war sie darin erfolgreich. Ihr Beruf als elektrotechnische Assistentin bedeutete ihr viel. Schließlich gehörte sie zu den ersten jungen Frauen, die ihre Ausbildung auf einer staatlichen Ingenieurschule mit einem Staatsexamen abschließen konnten, und die dafür hart arbeiten und sich in einer Männerwelt behaupten mussten. Gesundheitliche Probleme haben uns die ganze Ehe hindurch begleitet, allein zehn Krankenhausaufenthalte in den ersten Jahren. Letztlich haben sie auch dazu geführt, dass wir jetzt im heilklimatischen Kurort Bad Dürrheim leben, weit ab von unseren Geburtsorten und den Hauptorten meines Wirkens.
Noch härter traf es uns, als unser Sohn Alexander mit 11 Jahren an einer besonders aggressiven Form von Leukämie erkrankte und ums Haar daran gestorben wäre. Trotz ihrer eigenen gesundheitlichen Probleme hat sie ihn bei allen ambulanten und stationären Klinikaufenthalten begleitet. Mit viel angeeignetem Wissen, aufmerksamer Beobachtung und kritischem Hinterfragen aller Therapiemaßnahmen wurde sie eine respektierte Ansprechpartnerin für Ärzte und Pflegepersonal. Ich empfand es als großen Vertrauensbeweis, dass ihr die Ärzte schließlich sogar gestatteten, Alexander über einen bestehenden Herzkatheter bestimmte Infusionen zu Hause zu verabreichen und ihm damit zusätzliche Klinikaufenthalte zu ersparen. Nach seiner Genesung hat sie Alexander auch bei seinen Schularbeiten immer wieder unterstützt. Ihre Geduld hätte ich nicht gehabt, von fehlender Präsenz eigenen Schulwissens mal ganz abgesehen. Sie hat Alexander auch immer wieder dem Vater gegenüber verteidigt, wenn sie glaubte, er verlange zu viel vom Sohn.
Es folgen Bilder meiner Frau aus glücklichen Zeiten:
1971 mit meiner Frau am Titisee
(Foto: Margot Reichert)
1983 beim 70. Geburtstag ihrer Mutter im Schlossrestaurant Weinheim
(Foto: Achim Reichert)
1983 beim Kindergeburtstag in Buxtehude, als Alexander 10 Jahre alt wurde
(Foto: Achim Reichert)
In den neunziger Jahren auf der Insel Ischia im Golf von Neapel
(Foto: Alexander Reichert)
An Weihnachten in unserem Haus in Hamburg
(Foto: Achim Reichert)
2003 in einem Eiscafé an der Via Roma auf der Insel Ischia im Golf von Neapel
(Foto: Alexander Reichert)
Meine Frau liebte Harmonie und Romantik, Tiere und Pflanzen. Unter den Tieren mochte sie am liebsten Hunde, insbesondere große. Da es aus mehreren Gründen nicht zweckmäßig war, selbst welche zu halten, begnügte sie sich mit Stoffhunden. Unter den Pflanzen mochte sie alles, was blüht, insbesondere Orchideen. Ihre Harmoniebedürftigkeit nahm in dem Maße zu, wie ihre Gesundheit und Belastbarkeit abnahm. Sie mochte dann auch keine Krimis mehr lesen und mied Fernsehprogramme, die laut Programmvorschau aufregend zu werden versprachen.
Kritik vermied sie, wenn irgend möglich - für viele Männer ein Traum. Folgerichtig wollte sie auch selbst nicht kritisiert werden. Sie sprach vorwiegend leise, ihre Formulierungen weich, mitunter diplomatisch. Dinge auf den Punkt zu bringen, anzuspitzen, auch mal Tacheles zu reden, war nicht ihr Stil. Vor Ausrastern jedweder Art war man bei ihr sicher. In ihrer Nähe fühlte man sich wohl.
Sie war stets loyal. Nie hat sie Dritten gegenüber zu erkennen gegeben, wenn sie mit mir mal unzufrieden war oder ihr bei mir etwas nicht gefiel. Auch mir gegenüber hat sie es höchstens zu erkennen gegeben, wenn sie sich über Kritik meinerseits geärgert hatte und damit sagen wollte, auch sie habe Anlass zur Kritik, mache davon aber keinen Gebrauch.
Meine Frau war ein sehr methodischer und in hohem Maße verlässlicher Mensch. Selbst mit guten Argumenten war es schwer, sie von etwas abzubringen, was sie schon immer so gemacht hatte. Damit zählte aber auch Pünktlichkeit zu ihren Stärken - ebenso für viele Männer ein Traum.
Kommunikation war nicht ihre Stärke; zudem neigte sie zu Understatement. Über Gefühle redete sie nicht gerne. Man musste ihr ansehen, dass es ihr gesundheitlich nicht gut ging; von sich aus gesagt hat sie es selten. Ihre Standardantwort war dann: "Es geht so". Unser Hausarzt konnte angesichts der katastrophalen Blutwerte ein Vierteljahr vor ihrem Tod und der anschließenden Diagnose überhaupt nicht verstehen, dass wir davon nichts früher bemerkt haben. Als der Professor sie bei der letzten Chefarztvisite vor ihrem Tod nach ihrem Befinden fragte, sagte sie nur: "Heute nicht so gut" - für uns, die wir sie kannten, ein schlechtes Zeichen. Gaby, die sich auf der onkologischen Station liebevoll um das leibliche und seelische Wohl ihrer Patienten kümmerte, erinnerte sich bewundernd, dass meine Frau bis zuletzt nie geklagt hätte.
Als junge Frau hat sie sich gerne schick gekleidet und war dankbar, wenn ich mit ihr zusammen einkaufen war und ihr etwas Hübsches zum Anziehen gekauft hatte. Mit zunehmendem Alter hatte sie keinen Spass mehr daran; Hauptsache bequem und pflegeleicht.
Chinamotiv mit Enten, gemalt mit Chinafarben auf Aquarellpapier (1982).
Bambusrahmen mit Goldbronze. (Foto: Achim Reichert)
Edelrose, gemalt mit Chinafarbe auf Reispapier (1968).
(Foto: Achim Reichert)
Chinamotiv mit Vögeln, gemalt mit Chinafarben auf Aquarellpapier (1982).
Bambusrahmen mit Goldbronze. (Foto: Achim Reichert)
Zum Malen besaß meine Frau noch aus Schulzeiten außergewöhnliches Talent, ging aber leider sehr spärlich damit um. „Sehr gut“ war für sie auf dem Gymnasium Dauernote in Kunst, zweimal wurde sie für herausragende Leistungen bei der Jahresabschlussfeier ihrer Schule in der Heidelberger Stadthalle belobigt. Ein Bild von ihr schaffte sogar den Weg zur Weltausstellung in Brüssel; im deutschen Pavillon wurden u.a. Beispiele deutscher Schülerarbeiten gezeigt. Es tut mir sehr leid, dass ich es nicht dauerhaft geschafft habe, meine Frau wieder zum Malen zu bringen. Ihre Malsachen habe ich nach ihrem Tod an ein aktives Mitglied der Neugründung "Kunstschaffende & Kunstfreunde Bad Dürrheim e.V." verschenkt.
Klatschmohn (Foto: Gerlinde Reichert)
Eichhörnchen (Foto: Gerlinde Reichert)
Rhododendron (Foto: Gerlinde Reichert)
Erheblich häufiger als Malen fotografierte sie. Und das mit häufig wechselnden Kameras. Da Rheuma sie plagte, suchte sie vergeblich einen guten Kompromiss zwischen Gewicht und Leistungsfähigkeit einer Kamera.
Ihre Spezialität waren Makroaufnahmen von Blüten und Tieren, womit sie in der Tat eindrucksvolle Ergebnisse erzielte. Ihre Motive fand sie lange Zeit im eigenen Garten in Hamburg-Rissen.
Lesen war ihre ganz große Leidenschaft. Hier ein Blick auf unsere Wohnwand kurz nach ihrem Tod.
Hinter der ersten Reihe standen noch weitere Bücher.
Lesen war ihre Leidenschaft. Es müssen wohl einige tausend Titel gewesen sein, die sie in ihrem Leben verschlungen hat. Und das ausschließlich im Bett.
Ihre Eltern hatten nämlich Lesen als eine Art Müßiggang angesehen und sie mit häuslichen Arbeiten bedacht, wenn sie Gerlinde lesend angetroffen haben.
Über ihre Bücher konnte sie sich mitunter auch nach Jahren noch unterhalten. Sie galt als belesen und gebildet. So auch bei meinem Doktorvater, der auch ihre Fähigkeit, zuhören zu können, schätzte.
Bei jedem Umzug haben wir kistenweise ausgelesene Bücher, die meine Frau nicht nochmal lesen wollte, an Büchereien verschenkt. Gemessen an der Zahl der Bücher, die heute noch in unserer Wohnwand stehen, gehörten zu ihren Lieblingsschriftstellern
Es fehlen aber auch Klassiker nicht, die in jeden gut sortierten Bücherschrank gehören, beispielsweise
Der Turm der Heidelberger Providenzkirche. Sie war Pfarrkirche der Gemeinde,
in der meine Frau aufwuchs (Foto: Alexander Reichert)
Meine Frau ist in der Heidelberger Hauptstraße 79, schräg gegenüber der evangelischen Providenzkirche, aufgewachsen und am 7. April 1957, also mit 14 Jahren, von Herrn Dekan Hauss dort konfirmiert worden. Hauss war befreundet mit Albert Schweitzer, Arzt, evgl. Theologe und Friedensnobelpreisträger.
Ihr Konfirmationsspruch stammt aus Offbg. 2.10: "Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben." Bei seiner Traueransprache zum Tod meiner Frau hat Pfarrer Hasselbeck aus Bad Dürrheim - Oberbaldingen hieran angeknüpft.
Das Gesangbuch, in welches das Konfirmationszeugnis mit Unterschrift von Dekan Hauss eingetragen war, hatte ihr Ludwig Feige geschenkt in Erinnerung an den allzu frühen Tod seiner Tochter Hilde zwei Jahre zuvor, die Patin meiner Frau war und deren Namen sie als zweiten Vornamen trug.
Christi Himmelfahrt: Chorraumfenster der Heidelberger Providenzkirche
(Foto: Manfred Schneider). Mit freundlicher Genehmigung des von der Gemeinde beauftragten Fotografen.
Am 16. März 1968 hat uns der damalige Pfarrer K.H. Mann der Providenzkirche in der Kapelle des Heidelberger Schlosses getraut. Der Trauspruch war 1. Kor. 3.22/23 entnommen und lautete: "Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes."
Da ich als Katholik gemischt konfessionell geheiratet hatte, meine Frau auch mit mir darin übereinstimmte, dass es ihr als Protestantin nicht zuzumuten ist, spätere Kinder im katholischen Glauben zu erziehen, war ich nach damaliger Auffassung der katholischen Kirche exkommuniziert und damit vom Empfang der heiligen Sakramente ausgeschlossen. Konsequenterweise bin ich kurze Zeit später aus der katholischen Kirche ausgetreten und am 4. August 1968 der evangelischen Landeskirche in Baden beigetreten. Die Zeremonie in der Providenzkirche Heidelberg vollzog o.a. Pfarrer Mann, bezeugt von den Kirchenältesten Tatjana Mann, seiner Frau, und Frau Bauknecht.
Gerlinde Reichert war eine sehr gottesfürchtige Frau. Im Glauben hatte sie ihre Großmutter mütterlicherseits geprägt. Von ihr hatte sie viele Psalmen übernommen. In ihren Gebeten dachte sie stets an das Chorraumfenster der Heidelberger Providenzkirche. So hat sie sich immer Gott in Form seines Sohnes Jesus Christus vorgestellt. Ihre Gebete waren ihr Privatissimum, über deren Länge und Inhalt sie auch mir gegenüber nicht bereit war, zu sprechen. An dieses Tabu gewöhnt, habe ich mich auch in ihrer letzten großen Erkrankung nicht mehr getraut, ihr jetziges Verhältnis zu Gott zu hinterfragen. Vielleicht habe ich damit eine große Chance vertan - eine meiner vielen quälenden Fragen nach ihrem Tod.
Es war ein Sonntagvormittag kurz vor Weihnachten 2014. Ausgerechnet Weihnachten, meiner Frau ihrer mit Abstand liebsten Zeit. Wie groß war 1967 ihre Erwartung an ihren künftigen Ehepartner, mit ihm harmonische Weihnachtsfeste zu feiern, was sie von zu Hause leider nicht kannte? Wie viele ihrer Bücher handelten gerade von dieser Zeit?
Als sich meine Frau kurz nach dem Frühstück wieder ins Bett legte und bis nachmittags schlief, läuteten bei Alexander und mir sämtliche Alarmglocken. So etwas hatte es noch nie gegeben. Den ersten Blutentnahmetermin des Hausarztes konnte sie schon nicht mehr wahrnehmen, so schwach war sie. Kurz nach dem Ersatztermin rief der Hausarzt dann an, meine Frau müsse sofort in die Klinik. Die Werte seien katastrophal.
Die Diagnose des Schwarzwald-Baar-Klinikums war niederschmetternd: Dickdarmkrebs mit einer weit fortgeschrittenen Metastasierung der Leber. Die Krankheit sei behandelbar, sagte man uns, aber nicht heilbar. Den ersten Block der Chemotherapie vertrug meine Frau gut, fast zu gut, müsste man rückblickend sagen. In der einwöchigen Pause zwischen erstem und zweitem Therapieblock geriet aber leider alles außer Kontrolle. Ihr Körper sprach auf die Therapie nicht mehr an, die Leberwerte wurden immer schlechter.
Weil die Leber nicht mehr imstande war, ihrer Entgiftungsaufgabe gerecht zu werden, wurde insbesondere das Gehirn angegriffen. Meine Frau konnte sich infolge dessen immer schwerer verständlich machen, was sie bestimmt als sehr quälend empfunden hat: Etwas sagen zu wollen, es aber nicht mehr zu können. Vielleicht sogar den Eindruck zu haben, die Angehörigen würden sich nicht genügend Mühe geben, die Sprachfetzen zu verstehen. Wie ein Wunder erschien uns da anfangs ein "Zaubertrunk", welcher der zunehmenden Vergiftung entgegenwirken sollte und es vorübergehend sogar schaffte, dass meine Frau wieder ganze Sätze bilden konnte
Sehr zu unserem Leidwesen kam es ausgerechnet im Hospiz darüber später zu einer Art "Glaubenskrieg". Unter Berufung auf unseren Hausarzt setzte man das Mittel ursprünglich ab mit der Begründung, es würde inzwischen nicht mehr nützen. Auf unseren ausdrücklichen Wunsch hin zunächst wieder gegeben, setzte man es dann erneut ab mit der Begründung, es würde meiner Frau ihre Situation nur bewusster machen statt sie friedlich einschlafen zu lassen.
Im Klinikum hatte uns eine andere Art von "Glaubenskrieg" zu schaffen gemacht. Der ltd. Oberarzt hatte zugelassen, dass meine Frau essen und trinken dürfe, soweit ihr das bei ihrem Zustand noch möglich ist. Das Pflegepersonal war strikt dagegen mit der Begründung, wenn sie sich in ihrem Zustand verschlucken würde, könne sie das Verschluckte nicht mehr abhusten und daran ersticken. Es waren für mich bewegende Momente, wie meine Frau durch Berühren ihrer Lippen mit den von ihr so geliebten kernlosen blauen Trauben ihren Mund öffnete und sie ganz vorsichtig kaute. Sie konnte sie nur noch spüren; sehen konnte sie sie nicht mehr. Es war der Anfang vom Ende.
„Ich stelle es mir furchtbar vor, seine Tage in dem Bewusstsein
verbringen zu müssen, dass es die letzten sein werden.
Dass man das nächste Frühjahr, das Zwitschern der Vögel
und das Blühen der Pflanzen nicht mehr erleben wird.“
Einer meiner Beiträge auf APHORISMEN.de .
Um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Die pflegerische Betreuung im Schwarzwald-Baar-Klinikum hat höchstes Lob verdient. Neben der Pflege sind wir im Klinikum besonders dankbar dem ltd. Oberarzt Dr. Friedemann Köhler, der fachliche Kompetenz mit einem selten gewordenen Maß an Menschlichkeit paarte, für unsere Anliegen stets ein offenes Ohr hatte und sich dafür viel Zeit nahm, den Leiter des psychoonkologischen Dienstes, Herrn Dr. Hans-Peter Olma, Wegbereiter und Begleiter für die unvorstellbar schweren Stunden des irdischen Abschieds, und Schwester Gaby, die nicht nur Essenswünsche für Patienten erfüllte, die kaum noch etwas essen konnten, sondern auch unheimlich lieb zu meiner Frau war und ihr die Streicheleinheiten schenkte, für die das Pflegepersonal einfach keine Zeit hat.
Vorwort zur Trauerkarte:
Wir hätten ihr ein längeres Leben, zumindest einen gnädigeren Tod gewünscht. Aber das Schicksal hat uns nicht gefragt.
Trauerkarte zum Tod meiner Frau im März 2015. Zwischen ihrem 72. Geburtstag
und unserem 47. Hochzeitstag ist sie einer Krebserkrankung erlegen,
die bei ihrer Entdeckung schon zu weit fortgeschritten war.
Bilder von der Trauerfeier am 17. März 2015 in Bad Dürrheim – „eine würdige Trauerfeier“,
wie unser Dürrheimer Vermieter und seine Frau uns anschließend schrieben.
(Foto: Ralph-Thomas Hirsch, Haller Bestattungen)
Der Sarg ist geschmückt mit Blumen aus unserem Hochzeitsstrauß, rosa Rosen und weißen Fresien.
Einen Tag zuvor wäre nämlich unser 47. Hochzeitstag gewesen.
(Foto: Ralph-Thomas Hirsch, Haller Bestattungen)
Aufdruck der Kranzschleifen: „In liebevoller Erinnerung von
Heidi und Bernd Scheel Hamburg“
Aufdruck der Kranzschleifen: „In ewiger Liebe und Dankbarkeit
Achim und Alexander
Aufdruck der Kranzschleifen: „Ein letzter lieber Gruß
Deine Marlies und Peter“
Aus der Traueransprache des evgl. Pfarrers Dirk Hasselbeck
(mit seiner Genehmigung zitiert)
Die Bibelworte, die man zur Taufe, Konfirmation oder Trauung mit auf den Weg bekommt, können Begleiter werden. Und manchmal werfen sie auch ein Licht auf den eigenen Lebensweg. Der Konfirmationsvers von Gerlinde Reichert hat die Kraft, so ein Wort zu sein....." "Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben:"
"Diesen Vers aus Offb. 2,10 erhielt Gerlinde Reichert zu ihrer Konfirmation am 7. April 1957 in der Providenzkirche in Heidelberg als Wegbegleiter. Für eine junge Frau, durch ihre Oma im Glauben geprägt, die zeitlebens durch Krankheiten massive Einschränkungen erlebt, ein herausforderndes und zugleich realistisches Wort: Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben. Das ist kein billiger Trost, kein: Es wird schon alles gut. Sondern die Ermutigung, im Glauben durchzuhalten. Sich auf Jesus gerade in der Not einzulassen, der Hilfe und Stütze sein will."
Zitate zu Krankheit und Tod meiner Frau:
Das Grab meiner Frau nach ihrer Beisetzung.
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
Frühling 2015: Osterglocken und Hyazinthen blühen.
Ein Weidenzweig umrankt das Holzkreuz
und ein kleiner Engel betet für Gerlinde.
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
Anfang Herbst 2015: Volle Blütenpracht mit Gräsern,
Geranien, Gladiolen, fleißigen Lieschen und Erikas
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
Chrysanthemenbüsche in verschiedenen Farben,
die leider schnell verblüht waren
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
Das Grab an Allerheiligen 2015.
Jetzt blühen nur noch verschiedenfarbige Erikas.
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
Das geschmückte Weihnachtstännchen
am 23. Dezember 2015 mit Kugeln, Wallnüssen, Sternen,
kleinen Engeln und LED- Kerzen.
Das Grab am 17. Januar 2016 mit hohem Schnee bedeckt.
Nicht einmal die Grablampe ist mehr zu sehen.
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
Das bisherige Weihnachtsbäumchen zum Geburtstag
am 14. Februar mit Rosen bestückt.
Ebenso am 8. März, ihrem Todestag.
Das am 27. Juli 2016 errichtete Grabmal
mit Blumenschmuck zum Verlobungstag
(Foto: Achim oder Alexander Reichert)
2019 hat meine Frau einen neuen Engel bekommen,
der auf sie aufpasst. Damit er bei Sturm nicht umfällt,
ist er befestigt. (Foto: Alexander Reichert)
Das Grabmal wurde vom Natursteinwerk Höcklin in Löffingen aus rötlichem Granit der Sorte "Indisch Aurora" gefertigt und am 27. Juli 2016 errichtet.
Als Vorlage für das Bild von Heidelberg dienten eigene Fotos, ein Foto der Bilddatenbank Fotolia (Urheber: © eyetronic - fotolia.com - #89847521) sowie eine daraus abgeleitete Grafik von Sohn Alexander mit den Wesenszügen des Fotos. Von Alexander stammt auch die Idee für die Gestaltung des Grabmals. Der Spruch oder das kleine Gedicht stammt von mir. Zum Verständnis: Der Neckar war unser Schicksalsstrom. In Heidelberg am Neckar haben wir uns 1967 kennengelernt und in einem Hospiz in Schwenningen, wo der Neckar entspringt, ist meine Frau 2015 verstorben.
Wir wurden schon von etlichen Friedhofsbesuchern auf das Grabmal angesprochen. Eine liebe Nachbarin aus Hamburger Zeiten, mit der wir noch immer in engem Kontakt stehen, meinte nach einem Blick auf diese Bilder: "Nicht protzig, sondern von schlichter Schönheit."
Alexander am Grab seiner Mutter Ostern 2015 (Foto: Achim Reichert)
Natürlich verarbeiten Ehemann und Sohn den Tod unserer Frau und Mutter unterschiedlich.
Wenn Alexander nach ihrem Tod etwas sah, erlebte oder Fortschritte bei seiner Arbeit erzielte, sagte er sich oftmals: "Das musst Du unbedingt der Mami erzählen." Kurze Zeit später fiel ihm dann ein, dass es Mami nicht mehr gibt. Sie war tot.
Alexander träumt oft von seiner Mutter. Auch heute noch. In seinen Träumen lebt sie und es geht ihr inzwischen besser. Er war optimistisch, hatte lange Zeit noch gehofft, und so spiegeln seine Träume seinen Optimismus und seine Hoffnung wieder. Ich stelle es mir schrecklich vor, nach solchen Träumen wach und mit der Realität konfrontiert zu werden.
Er war und ist unheimlich tapfer, lässt sich seinen Schmerz nicht anmerken. Und wenn ihm doch mal die Tränen kommen, geht er wortlos in sein Zimmer. Ich soll das nicht merken.
Ich hingegen schäme mich der vielen Tränen nicht, die ich schon ob des großen Verlustes geweint habe und noch weinen werde.
"Auch wenn ich krankheitsbedingt immer mehr Aufgaben von meiner Frau übernommen habe und im Haushalt daher alles den gewohnten Gang geht, die Küche nicht kalt, der Boden nicht schmutzig und kein Brief ungeschrieben bleibt: Unsere kleine Familie hat ihre Seele verloren! Das haben wir früh geahnt, jetzt wissen wir es."
„In den vielen Jahren unserer Ehe ist meine Frau in so selbstverständlicher Bestandteil meines Lebens geworden, dass ich mich durch ihren Tod regelrecht amputiert fühle.“
Meine Frau war Katalysator und Stabilisator meines Lebens. Wer weiß, ob ich ohne sie so viel erreicht hätte.